Lost in Siberian … Verloren in Sibirien

Ganz ein programmatischer Titel heute 😼

Conny und ich sitzen zum 4. Mal zum Abendessen im Hauptraum unseres Gästehauses „Baikal Chalet“ in Listwjanka. Wir durften stellvertretend für alle ganz paternalistisch bereits heute Morgen entscheiden, dass Maria, die „Mama“ des guest house für alle gebratenes Huhn mit Teigwaren zubereitet. Es hat seine Vorteile, nicht nur einer der vielen Kurzzeitgäste hier zu sein. Wie dürft ihr Euch unser Quartier vorstellen … eher das Feeling einer Schweizer Berghütte (ohne Massenschlafplatz) als kuschliges Bijou am sonnigen Baikal-Strand. Sonne gab es die letzten Tage sowieso eher in homöopathischen Dosen. Das soll nicht unzufrieden klingen – unbefriedigend ist nur die leidliche Begleiterscheinung. Bereits in Irkutsk hat sich bei mir eine Erkältung angekündigt. Ich bin von ein wenig Schnupfen ausgegangen, nichts, dass sich nicht mit einem heissen Wannenbad und Nasentropfen in den Griff bekommen läßt. Leider wuchs es sich in unserer ersten Nacht in Listwjanka zu einer ordentlichen Grippe mit Fieber aus, so dass ich unseren ersten, zwar total verregneten Tag, im Bett verbrachte. Gibt es bessere Plätze als ein hellhöriges, kaltes Blockhaus in einem kleinen sibirischen Dorf, 60 Kilometer von Irkutsk entfernt um sich fiebrig im Bett hin und her zu wälzen? Nicht, wenn man Conny dabei hat und Wadenwickel und ein herrlich kalter Lappen auf der Stirn helfen.

Listwjanka ist das Ende der Welt. Punkt! Die Strasse von Irkutsk endet hier, nicht mal Sandwege führen in die umliegende Taiga. Vor dem Dorf liegt der ozeanisch grosse Baikalsee. Die gegenüber erkennbaren Berggipfel sind bereits von neuem Schnee bedeckt. Das Dorf wächst vom Strand in drei oder vier Tälern in die umgebenden Wälder hinein und wir fragen uns: Warum ausgerechnet Listwjanka?

Diese Frage stellten wir schon einigen anderen Reisenden. Die Antworten sind nicht sehr unterschiedlich: weil es im Reiseführer steht; um einmal im Leben am legendären Baikalsee gestanden zu haben; weil die Landschaft einmalig auf der Welt ist oder weil man einfach nur die „to do – Liste“ auf seinen Reisen abhaken will. Warum sind wir eigentlich hier? Wir wollten Sibirien spüren, das harte Wasser des größten Binnensees der Welt zwischen die Finger laufen lassen und die einmalige Tierwelt sehen. Ein Teil davon haben wir gefunden.

Z.B. im Baikalmuseum hier. Im Vorfeld lasen wir in anderen Blogs widersprüchliches über das Museum. Unser Fazit: lohnenswert! In einigen Animationsfilmen wird gezeigt, wie der Baikalsee entstand, welche Bedeutung er für die Pflanzen- und Tierwelt, und nicht zuletzt für die Menschen hat. In einem großen Schulraum voller Mikroskope konnten wir Mikrotierchen vergrößern und bewundern und „gewöhnlichen“ Sand vom Boden des Baikal glitzern sehen! Und dann machten wir noch eine (virtuelle) Reise in einem U-Boot auf den Meeresgrund. Ausserdem tummelten sich zwei einzigartige, nur hier vorkommende (sehr dicke) Robben in einem Aquarium. Und auch die Fotoausstellung mit Wunderschönen Landschaftsaufnahmen rund um den Baikal von vor 50 Jahren und heute zeigte eindrücklich die Entwicklungen in dieser Region. Zugegeben, viele Dinge sind im Baikalmuseum nur auf Russisch beschrieben und so ist manches deshalb weniger verständlich…

Tiere und Natur hautnah zu erleben, ist eher (noch) schwierig. Listwjanka ist gut auf Eintages-Touristen oder Sonntagsausflügler aus Irkutsk eingestellt: Ankommen, ein Foto hiervon, ein Foto davon, geräucherten Fisch essen, evtl. Übernachten und dann gleich weiter, weiter … Oder eine der sechs geführten Bootstouren in nahegelegene Buchten buchen der mit einem Speedboot fahren. Für Individualreisende fehlen die Strukturen. Es gibt kaum Wanderwege und wenn, sind sie nicht angeschrieben. Wir machten uns heute auf den Weg auf einen nahe gelegenen Berg, um uns das Sonnen Observatorium anzuschauen. Der Weg durch den Wald ging irgendwann über ein eingezäuntes Gebiet, das streng bewacht wurde, das wir aber trotz mürrischer Blicke, die uns kopfschüttelnd nachgeschickt wurden, durchquerten. Solange es uns keiner verbietet … Auch das Observatorium war eingezäunt und außer einem „Hier gehts nicht weiter, hier ist ein Hund“ bekamen wir keine Auskunft, ob wir uns das Institut ansehen könnten. In den Sommermonaten ist es wohl für Besucher offen, aber nun ist ja schon Herbst … 😁 Auf unserer Wanderung begleitete uns ein kleines schwarzes Katerchen, das mal maulend hinter, dann wieder schweigend neben uns lief: Immerhin sind die Tiere hier freundlich 😀 wir nannten es für die kurze Zeit der Begleitung „Tschorny“.

Das Wasser im Baikal fühlt sich wirklich „hart“ an, einen gerächerten Omul (Fisch) haben wir auch probiert und eine Art Hermelin im Wasser haben wir auch gesehen. Am schönsten war es, am Ufer zu sitzen, den glitzernden Wogen im Meer nachzuschauen und im Hintergrund schneebedeckte Berge zu sehen. Das sind Ferien.

Ein Gedanke zu “Lost in Siberian … Verloren in Sibirien

  1. Liebe Conny, lieber Jörg, da könnte ich noch stundenlang weiterlesen. Ihr erzählt so echt und lebendig, dass ich lesend das Gefühl habe dabei zu sein. Danke! Und geniesst es weiterhin!
    Liebe Grüsse
    Paula

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