6.00 Uhr Start war geplant, aber wer uns kennt weiß, daß es immer ein wenig länger dauert 😉 Aber um 6.20 Uhr ging es wirklich los: gerüstet für einen etwas zu lang geplanten Reisetag nach Bahar Dar. Den ersten Halt machten wir an der beeindruckenden orthodoxen Kirche Debre Libanos. Einer der wichtigsten Wallfahrtsorte hier, von vielen Menschen umringt, die hier Hilfe und Gesundheit erhoffen. Und die Weiße nicht gewöhnt sind. Argwöhnisch wurden wir von allen Seiten beäugt – allein die Kinder kamen neugierig auf wenige Meter heran. In weisse Tücher gehüllt durften wir die Kirche auch betreten. Auffällig waren die bunt bemalten Glasfenster, aber am meisten beeindruckt hat mich die tiefe Religiosität der Menschen hier. So konnten wir auch mit Alazar (unserem Fahrer) interessante Gespräche über Religion führen. Da taten sich ganze Gräben auf …
Die Straße war in schlechtem Zustand. Aber das hinderte Alazar nicht, das Tempo immer weiter zu erhöhen und unter häufigem Einsatz der Hupe und ständigem Ausweichen der Schlaglöcher, des Gegenverkehrs und der offensichtlichen Völkerwanderung sich den Weg Richtung Bahar Dar zu bahnen. Bei einem weiteren Überholmanöver wurden wir dann von einem Bus gerammt. Ein paar Schrammen am Minibus und zwei zerborstene Scheiben an der Schiebetür – der Schreck saß tief. Wir hielten und auch der Reisebus kam zum Stehen. Es folgte ein heftiger Wortwechsel zwischen den beiden Fahrern, aber sie konnten sich nicht einigen. Was machst du in einem solchen Fall? Richtig: du rufst die Polizei. Falsch in Afrika: du fährst zurück zum nächsten Dorf und suchst die Polizei! Nach längerem Suchen fanden wir endlich einem Beamten, den wir aus einer wütenden Menge „befreiten“: Er hatte gerade einem Minibusfahrer das Nummernschild abmontiert, weil der statt der erlaubten 17 Personen über 20 Menschen im Fahrzeug hatte. Der Minibusfahrer war den Tränen nahe: ohne Nummernschild darf er nicht fahren und so fehlt ihm seine Existenzgrundlage. Wir nahmen also diesen Beamten in unserem Wagen mit und fuhren zurück zum Unfallort. Dort war bereits von der „Gegenpartei“ ein Beamter aufgeboten. Beide Polizisten führten die Ermittlungen. Auch Sebastian als Beifahrer wurde als Zeuge befragt. Naja, das Ende dieses endlosen Hin und Hers war, daß Alazar seinen Führerschein abgeben mußte (für „administrative Zwecke“). Er könne sich diesen dann wieder auf der Polizeistation abholen. Wir flickten die kaputten Fenster mit einer Einkaufstüte und dem weltbesten Klebeband für Luft- und Winddichte und fuhren ins nächste Dorf. Nach langem Suchen fanden wir den Polizeiposten. Leider war gerade Mittagszeit und alle Beamten waren zum Mittagessen (wo auch immer…). Also suchten wir uns auch ein Lokal und stärkten uns mit Injera und einem Hammelfleischgericht. Die nachfolgenden 2 Stunden im Zeitraffer: Nach dem Mittagessen sagte man uns, daß Alazars Führerschein nicht auf dieser Polizeistation wäre, sondern im Dorf xy. Das zu finden dauerte schon gefühlt eine Ewigkeit, und Alazar wurde immer nervöser. Schließlich landeten wir in einem abgeschlossenen Hof mit Verschlägen für die Gefangenen und harrten der Dinge, die da kommen. Junge Polizisten in ihren Uniformen und mit Kalaschnikows bewaffnet bestaunten uns, aber keiner der Beamten wollte oder konnte den Führerschein zurückgeben. Uns war nicht wohl dabei. Entweder war die zuständige Person nicht da, oder diese hatte keinen Schlüssel zum Safe, in dem sich die Dokumente befanden. Uns wurde ganz klar ihre Macht demonstriert. Schlußendlich bekam Alazar seine Papiere wieder – vermutlich hat er ein paar Birr dagelassen.
Viel Zeit für nichts – das alles warf unseren knappen Zeitplan nochmals um Längen zurück. Die Fahrt nach Bahar Dar war sehr anstrengend: die Straßenverhältnisse waren schlecht und die Dunkelheit kam näher. Auch ein versierter Fahrer wie Alazar ist nach einem solchen Tag müde. Tipp für Leute, die eine ähnliche Reise vor sich haben: Der Weg Addis nach Bahar Dar ist an einem Tag nur schwer zu schaffen. Lieber sich Zeit nehmen, unterwegs die Aussicht geniessen und Zwischstopp in Debre Marcos einlegen! Wir fuhren durch und verzichteten auf das Abendessen, um endlich kurz nach zehn im Debre Damo Hotel zu sein. Die Küche hatte bereits geschlossen und leider gab es kein fließend Wasser, also auch keine Dusche.