Noch nie habe ich den Sonnenaufgang so herbei gesehnt wie heute! Ich konnte nicht schlafen, vielleicht lag es an der Höhe oder an der Kälte oder einfach an mir, so viele Eindrücke zu verarbeiten.
Mit den ersten Sonnenstrahlen schälte ich mich aus meinem Schlafsack, krabbelte aus dem Zelt und tippelte über die gefrorene Erde. Erst langsam kam das Licht und noch langsamer die Wärme. Ein schnelles Frühstück und dann ging es im Jeep, besetzt mit uns Vieren, dem Fahrer, Alazar und Banti sowie unserem Scout Adana, unseren Zelten und noch ein paar mehr Utensilien typisch afrikanisch wieder hinunter Richtung Axum. Traumhafte Landschaften, die ich kaum beschreiben kann. Die ersten Kilometer führte auf einer „handtuchbreiten“ Piste immer direkt am Steilhang entlang. Purer Nervenkitzel auf einer unserer bisher gefährlichsten Strasse der Welt. Die Piste ist übersäht von Schlaglöchern und ist eher ein schlechter Wanderweg als Route für voll beladene LKWs und Jeeps mit Reisenden. Erleichtert waren wir aus den schroffen Klippen des Simiengebirges auf die Hochlandfläche und nach Debrak gekommen. Dort fiel uns der Abschied von Banti schwer: die letzten vier Tage haben uns doch ein wenig zusammengeschweisst und auch er meinte, daß wir schon fast eine Familie sind. Deshalb lud er uns zu einem frühen Mittagessen zu sich in sein kleines Café ein. Banti lebt mit seinen zwei Schwestern und drei Brüdern in Debark, die Eltern sind bereits verstorben und so übernimmt er als Familienoberhaupt die Verantwortung für alle.
Während der 5 Stunden Autofahrt im Minibus staunten wir über die üpigen Getreidefelder, die einmalige Landschaft mit Blick immer wieder auf das Simiengebirge und das lebhafte Gewusel auf den Straßen, wenn wir durch Dörfer und Städte fuhren. Die Piste hinab zum Ufer des Tegense ist eine von den Italienern angelegte, aufregend schöne Strasse. Kurvig geht es am Felsen entlang mit Blicken ins 1000 Meter unter uns liegende Tiefland. Die Route gilt als eine der schönsten in Afrika … das können wir bestätigen. Die Fahrt mit leicht schweissnassen Händen lohnt sich. Spürbar ist der Unterschied zwischen dem kühlen Hochland über 3000 Meter und der heissen, staubig trockenen Glut im tiefen Flusstal.
Einmal hielten wir, um in Shire einen Kaffee zu nehmen: die Zeremonie dauerte gut eine Viertelstunde, und wir hatten einen perfekten Kaffee im Mokkatässchen. Nebenbei lernten wir die sprachlichen Unterschiede zwischen Amhari und Tigray kennen. Sitzend auf kleinen Hockern schlürften wir den süssen und starken „buna“ und Alazar flirtete mit dem Kaffeemädchen.
Und dann, endlich, kamen wir im Yeha Hotel an: eine warme Dusche und ein richtiges Bett!!! Mit so wenig waren wir zufrieden 😎