Zwischen Lalibella und unserem letztem Ziel Harar liegen ca. 1200 Kilometer Nationalstrasse. Das wäre auch zu Hause eine strengere Fahrt, aber durchaus an einem Tag zu schaffen. In Äthiopien teilen wir die Strecke in 3 Tagesetappen. Gestern fuhren wir über die schon beschriebene abenteuerliche Offroad Route zurück nach Weldiya und dann weiter in südliche Richtung bis Dessie. Heute führt uns die Strasse entlang des afrikanischen Grabenbruchs nach Addis Abeba zurück, von wo aus wir morgen zu längsten Etappe (500km) nach Harar starten werden.
Äthiopiens Geographie und der Zustand der Strassen bedingt den grossen Zeitaufwand. Wirklich schnurgerade Strassenstücke sind sehr selten. Und wenn eine Fahrt geradeaus möglich wäre, verhindern der mittig fahrende Gegenverkehr und die grossen Schlaglöcher eine zügige Fahrt. Meist geht es kurvig den Berg bis zur auf über 3000 Meter liegenden Passstelle hinauf und auf der anderen Seite mindestens genauso kurvig wieder hinab. Die schwer beladenen LKWs (eigentlich sind diese überladen, mit teilweise sich bedenklich zur Seite neigender über 4 Meter hoher Ladung) quälen sich schnaufend und dunklen Russ ausstossend hinauf. Bunte Überlandbusse mit teilweiser lebender Fracht (Schafe) auf dem Dach wuseln sich hupend durch den Verkehr aus Kamelen, Rinderherden, Kindern auf dem Weg zur Schule und stur ihren eigenem Weg folgenden Eseln hindurch.
Auf dem Weg nach Dessie legten wir einen lohnenswerten Zwischenstopp an einem idyllisch gelegenem See ein. Der Hayk See liegt einen Kilometer abseits der Nationalstrasse und ist so etwas wie ein Naherholungsgebiet. Die Anfahrt nach Hayk führte an bewaldeten Berghängen, die ein wenig an den Schwarzwald erinnerten auf ein 2500 Meter hoch gelegenes Plateau mit dem Städchen und zwei Seen. Am Ufer des Sees fand sich ein grösserer Picknick Platz unter Schatten spendenden Bäumen, eiskalte Coke und die Möglichkeit mit einem Boot auf dem von Bergen eingerahmten See zu fahren.
Ansonsten geniessen wir das „Kino“ vor unseren Autofenstern. Zeit für zwei oder drei Nachträge.
In Lalibella durften wir neben den Kirchen noch „echtes“ äthiopisches Leben geniessen. Zuerst führte uns unser Guide nach dem letzten Kirchenbesuch zu einem sehr idyllischen Platz. Hinter einer Mauer und einem grossen Eisentor verbarg sich ein sehr gepflegtes und mit Sinn für das Schöne angelegte Grundstück. Ein kleines Haus mit einem terrassiert angelegten Garten. Eine grösserer Rassenfläche mit einem schönen Talblick war von gemauerten Bänken eingefasst und diese mit Polstern und Tüchern belegt. In der Mitte der Rasenfläche hatte die Hausherrin bereits alles für eine Kaffee Zeremonie vorbereitet. Die grosse Kiste mit den Buna Tässchen stand bereit, daneben die kleine Feuerstelle mit der glimmenden Holzkohle zum rösten der frischen Bohnen und dem Kaffee kochen. Davor standen ein Korb mit einem grossen Brotfladen, den ich als Ältester der Gruppe 😊 brechen durfte und ein weiterer mit Popcorn. Dazwischen lagen bunte Blüten und ein kleines Stövchen mit ein wenig Holzkohle und Weihrauch qualmte vor sich hin. Auf einem weiteren Tisch standen zwei Flaschen mit dem hausgemachten Gin und Tedj (Honigwein) für uns bereit. Natürlich probierten wir beides!
Leider habe ich Name der mit bunten Tüchern bekleideten Gastgeberin vergessen … aber Sie zelebrierte mit einer grossen Ruhe und einem lächelnden Gesicht die Zubereitung des Kaffees. Dies benötigt etwas Zeit und liess einen Schwatz über die eigenen Kinder und die unseres reginalen Guides zu. Abebe hat einen Sohn und zwei Töchter – double trouble – wie er meinte. Zu seinem Unglück wäre er noch ein sehr schmächtiges Männchen (stimmte) und seine Frau eine in Karate ausgebildete Polizistin, die von der Regierung über ihre Frauenrechte aufgeklärt wurde. Mann kann echt Pech haben 😉. Zurück zum Kaffee: Zuerst wurden die Bohnen drei mal sorgsam gewaschen, dann das restliche Wasser verdampft um die Bohnen anschliessend auf einer konischen Metallplatte unter ständigem Bewegen zu rösten. Als sich die anfänglich hellen Bohnen schwarz verfärbt hatten und ein leichter Rauch aufstieg, stand unsere Gastgeberin von ihrem kleinen Höckerchen auf und liess uns reihum an den frisch gerösteten Bohnen schnuppern. Dann werden die Bohnen in einen Mörser gefüllt und mit einem Stahlstössel zerstossen. Inzwischen erwärmte die Glut der Feuerstelle das Wasser in der mitten in den Kohlen stehenden dickbauchigen schwarzen Steingut-Kaffeekanne. Dann wurde das Pulver in die Kanne gefüllt, mehrmals zum Aufkochen gebracht, um dann das fertige Gebräu kurz ziehen zu lassen. Der äthiopische Kaffee wird es kleinen Schälchen, ähnlich Espressotassen ohne Henkel, mit viel Zucker getrunken. Wir haben inzwischen gelernt gleich zu sagen, dass 2 gehäufte Löffel Zucker für uns vollkommen ausreichend sind. Zum wohlschmeckenden Kaffee reichte uns die Gastgeberin noch ein frisches Kraut (Ysop?), welches den guten Geschmack noch unterstützte. Ein relaxter Ausklang unserer Tour durch die Stadt.
Und dann noch der Abend! Gegen 19 Uhr holte uns Alazar mit einem uns fahrenden Freund ab. Ein Abend mit Tedj stand auf dem Programm und auch in Äthiopien gilt zumindest für einige verantwortungsvollere Fahrer: Dont drink and drive! Alazar führte uns in einer dunklen Seitengasse über Treppen hinab in eine kleine Kneipe. Der Innenraum wirkte wie eine der heute besuchten Felsenkirchen, schummriges Licht und eine von Pfeilern gestützte Decke. Die Kneipe war est wenig gefüllt. Neben uns saß eine ca. 10 köpfige Männergruppe und wiegte sich schon im Takt der Musik aus den Lautsprechern. Erst stand einer der gemischt alten Männer zum Solotanz auf, dann gesellte sich ein zweiter dazu. Tanzen bedeutet vorallem sehr ruckartig die Schultern vor und zurück zu bewegen.
Mit dem uns servierten Tedj füllte sich die Kneipe langsam. Zu den Herren gesellten sich 4 oder 5 Frauen und weitere Gruppen (sogar gemischt geschlechtlich 😉)suchten sich einen Platz. Die jungen Frauen lieferten sich mit den tanzenden Herren einen kleinen Schlagabtausch, wer schneller und weiter die Schultern nach hinten und die Brust nach vorne schnellen lassen kann. Irgendwann wurde die Musik aus den Boxen abgeschaltet und eine Gruppe von Musikern übernahm das Programm live. Ein älterer Mann spielte auf einer äthiopischen einseitigen Geige (Masinko) und sang dazu. Eine Frau wiederholte seinen Gesang und trällerte schrill und laut dazu. Eine Tänzerin und ein Tänzer feuerten zusätzlich das Publikum mit rhyrhmischem Klatschen und den zuckenden Tanzbewegungen an. Natürlich mussten wir mitmachen: mit tanzen und nach Nennung unserer Namen und Herkunft besungen werden. Wenn die Darbietung gefällt, darf man mit Spucke (alternativ geht auch ein Schluck Tedj) den Musikern oder ihren Tänzern einen Geldschein auf die Stirn kleben. Keine Ahnung woher unser Muskelkater in der Schulterregion am nächsten Tag herrührte ….