Bruder Klaus

Wie hältst Du es mit der Mystik … bist Du dafür empfänglich oder eher nicht? Seit diesem Wochenende wissen wir, dass wir mit knapp über 47 Lebensjahren recht empfänglich für die Mystik sind. Warum? Grundsätzlich: Weil wir es spüren, gerade bei unseren Reisen. Und sehr konkret, da wir die letzten 2 Nächte an den Lebensorten des Schweizer Mystikers, Niklaus von Flüe verbringen durften.

Hotel Paxmontana

Seid 22 Jahren recken wir den Hals, wenn wir von Kerns kommend ins Melchtal hinein fahren, um einen Blick auf das idyllisch oberhalb des Sarner Sees gelegene Hotel „Paxmontana“ zu erhaschen. Und genauso lang höre ich von meinem Kollegen Pius vom Schweizer Nationalheiligen „Bruder Klaus“ (gibt es eigentlich einen deutschen Nationalheiligen … bitte im Kommentarbereich uns schlauer machen). Nach dann doch etwas langer Zeit mit nicht umgesetzten Absichten (einmal in diesem Hotel schlafen und mehr über die historische Gestalt des Bruder Klaus erfahren) nutzen wir das sonnige erste Juli Wochenende für einen Aufenthalt in Flüeli Ranft und im Paxmontana.

Weg zur Einsiedlerei

Das altehrwürdige Hotel thront seit über 120 Jahren auf einem Hügel über dem Ort Sachseln. Vom Balkon unseres Zimmers geht der Blick über die Pilatuskette zum von Bergen eingerahmten Sarner See. Das Zimmer ist spartanisch eingerichtet, bietet aber ein komfortables, modernes Badezimmer und ein schrecklich laut quietschendes Doppelbett. Wenn Du es nostalgisch magst, kommst Du hier voll auf Deine Kosten. Das Haus ist ein ideales Beispiel für den Schweizer Hotelstil um die Jahrhundertwende (1900 😉). Auf einem viergeschossigen Holzbau thront ein mit einigen Türmchen und grossen Gauben geschmücktes Walmdach. Durch einen repräsentativen Haupteingang betreten wir die kleine Lobby mit Rezeption und die Flachbildschirme auf dem Tresen wirken wie Fremdkörper. Natürlich liegt der Zimmerschlüssel mit schwerer, bronzefarbender Zimmernummer in einem Fächergestell, in welche auch Briefe an die Hotelgäste deponiert werden könnten (wer schreibt heute noch Briefe?).

Das „Paxmontana“ hat nach einer sanften Sanierung in den letzten Jahren sein nostalgisches Flair behalten. Fast fühlen wir uns in unseren funktionalen Wandersachen unpassend angezogen … Charleston Kleid und gestärkter Hemdkragen würden problemlos als angemessene Abendbekleidung hier durchgehen. Der Speisesaal bietet eine langgezogene Fensterfront mit einem Panorama-Blick auf die allmählich hinter dem Pilatus untergehende Sonne. Noch spektakulärer ist allerdings der nächtliche Blick zum Melchtal hinauf. Der Himmel ist dramatisch mit Wolken geschmückt und der Vollmond beleuchtet die Ranft Schlucht.

Melchtal und Hoch Dossen
„verglühende“ Sonne neben dem Pilatus
Sarner See

Natürlich ist das Hotel auch zur blauen Stunde eine Schönheit und muss unbedingt fotografiert werden:

Wann haben wir uns das erste Mal mit Mystikern beschäftigt? Vermutlich bei unseren Reisen in den Iran und nach Istanbul. Im Iran besuchten wir die Tempel von islamischen Mystikern, z.B. in Kerman und in Istanbul hörten wir das erste Mal von Sufis, die durch Trommeln und Tanz (sich drehende Derwische) in einen Trance Zustand versetzen. Aber Mystiker hier bei uns in Mitteleuropa?

Kapelle und Einsiedlerei des Bruder Klaus

Ein schmaler, gut zu gehender Pfad führt vom Eingang des Hotels die Ranft, eine tiefe Schlucht, welche die Melchaa in den Felsen „gefressen“ hat, hinab zum Rückzugsort des Niklaus von Flüe. Die ursprüngliche Klause ist ein kleiner Bau mit einem massiven Untergeschoss und einem Holzbau oben auf. Bruder Klaus lebte hier die letzten 20 Jahre seines Lebens recht beengt. Auf dem Bild oben ist die Klause links von der im 16. Jahrhundert angebauten Kapelle zu erkennen. An diesem Ort betete Bruder Klaus, philosophierte, fastete und gab seine Ratschläge. Flüeli ist unübersehbar ein Wallfahrtsort. Ringsum den Ortskern verteilen sich Kapellen und in der Ortsmitte kannst Du das Geburtshaus, in welchem Niklaus 1417 geboren wurde und sein späteres Wohnhaus besichtigen. Lohnt nicht nur der Mystik wegen, auch der bautechnisch Interessierte kommt auf seine Kosten … das Geburtshaus gilt als das älteste erhaltende Holzblockhaus der Schweiz (Ursprung bis ins 13. Jahrhundert zurück).

Noch ein paar Fakten zum Bruder Klaus … also so weit wie sich Ereignisse von vor über 600 Jahren noch belegen lassen. Niklaus war vermutlich ein wohlhabender Obwaldner Bergbauer, Soldat im Krieg und dann kam es in seinem 47. Lebensjahr zu einem radikalen Umbruch. Er verliess seine Familie, mit dem Einverständnis seiner Frau Dorothea, um in der Ranft unterhalb Flüelis als Einsiedler, Asket und Mystiker zu leben. Angeblich fastete er die letzten 20 Lebensjahre. Seine Bedeutung für die Schweiz ergab sich wohl aus seiner Rolle als geistlicher Ratgeber der zum Beispiel durch einen bis heute geheimen Rat an die Stanser Tagsatzung den Zerfall des damaligen sehr losen Bündnisses der Schweizer Land- und Stadtorte verhindern konnte … #stanserverkommnis zum Weiterlesen für den historisch interessierten Blog Leser. Noch heute wirken Aussagen des Bruder Klaus in der Schweiz nach … gerade Parteien, die etwas rechts der Mitte sich bewegen plakatieren gern mit Sprüchen, die „angeblich“ durch Niklaus von Flüe gemacht wurden. Für uns ist auf jeden Fall spürbar, dass hier vor 600 Jahren ein Mensch so bedeutsam gewirkt hat, dass seine Klause, seine Wohngebäude und sein „Geist“ so lange Zeit überdauerten.

Soll ich nur wegen diesem Bruder Klaus nach Flüeli Ranft? Nein, der Ort ist ein toller Ausgangspunkt für leichte, mittlere und schwere Bergwanderungen. Wir entscheiden uns für eine mittelschwere Wanderung ab der Hoteltür. Erst sanft ansteigend, dann recht ruppig und wild über Alpwiesen geht es manchmal weglos dem Stuckli Kreuz, einer 1800 Meter hohen Erhebung über dem Sarner See entgegen.

Unser (also Jörgs ;-)) Plan über den Arnigrat nach Stöckalp zu wandern stellt sich als etwas zu ambitioniert heraus und wird spontan vertagt. Wir folgen kurz einem recht luftigen Stück des Grates wieder in Richtung Flüeli, überschreiten mit dem Hohmad und Hoch Dossen noch zwei Gipfel und steigen dann sehr steil den Grat, das Paxmontana bereits fest im Blick, dem Ort und somit einem verdienten Glace / Eis entgegen. Und Wellness für die Füsse gab es auch noch …

Arnigrat … nur verschoben … wir kommen wieder
fast am Ziel … das Hotel Paxmontana ist rechts oberhalb des Waldes zu erkennen

Ein Gedanke zu “Bruder Klaus

  1. Hey, wieder mal wundervolle Bilder! Zu der Frage nach dem Nationalheiligen: Früher sprach man oft vom Hl. Bimbam, heutzutage hört man meist nur noch „heilige Sch….e!“ Uuuups.
    Vor zwei Jahren waren wir in der Südeifel übrigens in der Klausenhöhle, in der ebensolche Einsiedler gelebt haben sollen. Fotos kann ich hier nicht im Kommentar einfügen, ich äppsel mal.
    Wenn ihr mal wieder hier vorbei kommen solltet, hätten wir übrigens zwei Wiedererkennungswerte für euch: Ein quitschendes Holzdoppelbett haben wir nämlich auch, das würden wir euch dann zur Nachtruhe herrichten. Und dann schauen wir mal wieder „Shining“ mit Jack Nickolson, der hat ja praktisch das Nordamerikanische Paxmontana gehütet.
    Viele Grüße Martin und Tanja

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