Auf dem Weg in den Süden …

Bisher war Kapstadt unser südlichster Punkt, den wir auf unserem Erdball erreicht hatten. Als ich zuhause auf unserem alten Globus mit dem Finger in Kapstadt startete und auf einer geraden Linie den Globus in „westliche“ Richtung drehte, landete mein Finger ziemlich genau in Santiago. Nun sind wir 800 Kilometer südlicher von Santiago und der Antarktis somit so nah wie noch nie 😉 … und wir sind noch nicht am Ende unseres Weges in den Süden.

Um nicht 800 Kilometer an einem Stück fahren zu müssen, haben wir uns ein ausreichend attraktives Zwischenziel für unseren Weg von Santiago nach Pucon gesucht. Wir mögen Wein und Chile ist ein Weinland … also besuchen wir das Hauptanbaugebiet mit dem kleinen Städtchen Santa Cruz mitten drin. Bei unserer Reiseplanung haben wir festgestellt, dass es grundsätzlich möglich ist, mit den Fernreisebussen durch Chile zu reisen … wenn man auf den grossen Hauptstrassen bleibt und von grosser Stadt zu grosser Stadt möchte. Sobald es nach links oder rechts von der Hauptroute weg gehen soll, wird es schwieriger. Machbar, aber mit etwas mehr „Thrill“ … zu viel für uns. Daher haben wir uns in Santiago einen Mietwagen organisiert und sind jetzt sehr flexibel.

Und unser Toyota rentiert sich bereits hier in Santa Cruz wunderbar. Das Städtchen ist sehr verschlafen, döst fast vollkommen ausgestorben im warmen, sonnigen Sonntag. Alles ist geschlossen, kein Restaurant hat geöffnet und die Sonne brennt wirklich erbarmungslos in das breite Tal hinab. Wir rollen mit dosiert eingestellter Klimaanlage durch das flache Tal mit Weinreben über Weinreben. Auf einer kleinen Erhebung liegt malerisch das kleine Dorf Lolol und wir müssen auf dem Hauptplatz neben der weissen Kirche einfach anhalten. Wir spazieren in der Mittagshitze durch schattige Laubengänge an den flachen Gebäuden und hören leise ein Singen aus der offen stehenden Kirchentür. Neugierig blicken wir in die katholische Kirche. Das Gotteshaus ist bis auf den letzten Sitzplatz gefüllt und zusätzlich verfolgen Leute im Stehem den zu Ende gehenden Gottesdienst. Die beiden Priester schreiten durch die Reihen und positionieren sich am Ausgang der Kirche. Wir beobachten wie alle Besucher mit Handschlag und freundlichen Wörtern verabschiedet werden. Es herrscht eine freundliche, sonntägliche Stimmung. Die Leute bilden Trauben vor der Kirche und „tratschen“ noch miteinander, bevor sich die Gruppen auflösen und die Menschen Ihren Sonntag zu Hause geniessen. Kitschig, wie in einem alten Film … aber sehr schön und mit einem wohligen Gefühl anzusehen.

Unser Ziel ist das Meer. Wir fahren weiter, die Strasse steigt erst an, Weinreben weichen Nadelwald. Die Sonne verschwindet hinter tief hängenden grauen Wolken und die Temperatur sinkt erheblich. Dann haben wir den Scheitelpunkt der Erhebung erreicht und rollen hinab und plötzlich taucht zwischen den Bäumen ein gegen den Strand tosender, grauer Ozean auf. Wir sind wieder am Pazifik und finden endlich die Möglichkeit mit den Füssen im Meer zu stehen. Für mehr ist es zu kalt, zu windig und die See viel zu rau. Gleich die erste Welle unterschätze ich und stehe mehr als Knie tief mit Hose im Pazifik. Wunderbar … wir lassen uns den Wind minutenlang durchs Haar blasen, laufen durch den angenehm warmen, dunklen, grobkörnigen Sand des Strandes und haben unser Sonntagsglück gefunden.

Den nächsten Tag nutzen wir zum Besuch von Weingütern in der Umgebung von Santa Cruz. Ein erstes „Testing“ machen wir auf einem kleineren Weingut mit fast deutschen Namen: Laura Hartwig. Die Weine sind o.k. … besonders gefällt uns die Traubensorte „Carmenere“, die es in Europa nicht mehr gibt. Beim zweiten Weingut verzichten wir auf eine Weinprobe und nüchtern lieber im kleinen Café mit einem schönen Blick in die Weinberge und einem starken Kaffee etwas aus. Highlight unserer Tour durchs Weingebiet ist die „Vina Montes“. Bereits die Architektur der Gebäude signalisiert, dass hier grosses gemacht wird. Die Eigenwerbung des Weingutes behauptet, dass 5. beste Weingut weltweit und die Nummer eins in Chile zu sein. Stimmt! (Auch wenn unsere bescheidene Beurteilung etwas weinselig getrübt ist ;-)) …

Das Weingut bietet ein wunderbares Restaurant, dass mitten in den Weinreben liegt. Eine offene, lichtdurchflutete Architektur bietet den Raum für ein Grillrestaurant besonderer Klasse. Mitten im Raum steht ein „Feuertempel“ von Grill und die Hohepriester/Grillmeister arbeiten neben der Gluthitze wie an einem Hochofen. Der Boden ist bedeckt von der Asche des verglühten Holzes und im oberen Bereich brutzelt bestes Rindfleisch. Im Rauch des Grills hängen Kohlköpfe und grosse Knoblauch Knollen. Alle Sinne werden angesprochen … die Optik ist wunderbar, es riecht toll und dann hält das Essen auf dem Teller das ein, was der Anblick versprochen hatte. Fast gerät der Wein etwas in den Hintergrund. Aber die probierten 2 Weine sind auf sehr hohem Niveau. Wir starten mit einem reinen Carmenere (Alpha Montes) – sehr gut! Wirklich erstklassig ist dann der Wein im Glas ihrer Premium Linie: Purple Angel! Allerdings mit 90 Doller pro Flasche für die frischeste Variante von 2019 wahrlich kein Schnäppchen.

Der kleine Zwischenstopp in dieser etwas verschlafenen Gegend war für uns lohnenswert und die nächsten 600 Kilometer bis Temuco fahren sich auf der recht gut ausgebauten Autobahn Ruta 5 (Panamericana) angenehm. Bereits von der Autobahn sehen wir den Kegel eines schneebedeckten Vulkans. In der grossen Stadt Temuco übernachten wir nur … uns zieht es jetzt in die Natur. Und unser nächster längerer Stopp in Pucon bietet einen schnneegekrönten Vulkan, klare Bergseen und mit für uns exotischen Bäumen bewaldete Berghänge zum ausgedehnten Wandern.

PS: Unterwegs sich zu verpflegen klappt wunderbar und bietet einen wilden Esskultur Mix … siehe die nächsten Bilder!

frisch zubereitete Empanadas …sehr lecker mit Hühnchen, Käse und Mais gefüllt
bayrische Gemütlichkeit, rechts neben der Panamericana … inklusive einem sehr interessanten Gespräch mit dem Wirt über das dunkle Kapitel in der jüngeren chilenisch-deutschen Geschichte: Colonia Dignidad

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