Vulkane

Wir sitzen fest. Am besten Ort dafür. Die beiden Hinterreifen an unserem gemieteten Toyota sind geplatzt. Einer sieht richtig fürchterlich aus – zerfetzt! Der andere schlaff und platt. Aber zum Glück passierte uns das Missgeschick rund 500 Meter vor Erreichen unseres nächsten Etappenziels.

Ich sitze am Strand des Llanqihue Sees und der leichte Wind lässt kleine Wellen des klaren, blauen Wassers gegen das grobsteinige Ufer treiben. Wenn ich den Blick hebe, sehe ich direkt auf ein Idealbild eines Vulkans. Der Osorno Vulkan steigt unmittelbar vom gegenüberliegenden Ufer an. Erst sind seine Hänge noch grün und bewaldet, aber ab ca. 2000 Meter über Meer trägt der Vulkan eine weisse Schneedecke. Der Berg erscheint fast symmetrisch, ein nahezu perfekter Kegel. Die weisse Spitze ist leicht abgerundet und von einer dicken Eisschicht bedeckt. Der Vulkan hat eine grosse Dominanz. Kein auch nur ebenbürtiger Berg macht ihm in der Nähe Konkurrenz. Der Osorno wird der kleine Fuji Chiles genannt … klein ist relativ. Der Vulkan erhebt sich mit 2600 Metern über Meer etwas weniger, als der Dreitausender in Japan. Wir durften bereits den Fuji sehen … und ja, beide Vulkane sind beeindruckend und ähneln sich. Nur versteckte sich der Fuji immer etwas im Dunst und Wolken … der Osorno präsentiert sich gerade von seiner Sonnenseite 🙂

Vulkan Osorno

Wir nutzen die beiden Tage unseres „Festsitzens“ um ein wenig zurück zu blicken auf die letzten Tage im Seengebiet von Chile. Vor fünf Tagen sind wir von der Ruta 5 / Panamericana abgebogen und den Bergzügen und seinen Seen entgegengefahren. Zuerst erreichten wir (Achtung Dreifachnennung ;-)) die Stadt Villarrica am Ufer des Sees Villarrica mit wunderbarer Aussicht auf den gegenüberliegenden Vulkan Villarrica. 2800 Meter reckt sich seine rauchende Spitze in den blauen Himmel. Der Vulkan ist sehr aktiv und von unserem Balkon in der Elementos Eco Lodge sehen wir nachts, wie die Lava rotglühend hoch geschleudert wird.

Wir bleiben nur kurz in der sehr lebendigen, sehr normalen Stadt. Spazieren am Ufer des Sees, schauen neugierig in den modernen Bau der katholischen Universität hinein und der freundliche Sicherheitsbeamte macht uns darauf aufmerksam, dass es im Untergeschoss ein Museum gibt, das den indigenen Bewohnern der Region, den Mapuche, gewidmet ist. Unser Erscheinen versetzt die Leiterin des sehr kleinen Museums (ein grösserer Austellungsraum) etwas in Panik: Nicht spanisch sprechende Besucher! Wir haben grosses Glück. Eine junge Studentin aus Katalonien hatte gerade die Ausstellung besucht und übernimmt spontan das Übersetzen ins Englische. Der Besuch war daher sehr lohnenswert … Neues erfahren und nett von einer jungen und einer etwas älteren Frau in die Welt der Mapuche eingeführt worden.

Vulkan Villarrica mit See Villarrica mit Hund aus Villarrica …

Für uns ging es weiter das Seeufer entlang, am Touristenort Pucon vorbei und hinein in die Berge. Am Rande zum Nationalpark Huerquehue hat die Bremerin Sarina eine Lodge. Die Zimmer sind unaufgeregt mit regionalen Materialien eingerichtet und wir fühlen uns 4 Nächte sehr wohl in der Elementos Eco Lodge. Wir starten von hier zu 3 Exkursionen … wir wandern am Vulkan Villaricca, so weit wir kommen. Es ist heiss und die Erde geröllig. Die Hänge des Vulkans werden als Winterspielplatz genutzt. Nun im Sommer rosten die Lifte still vor sich hin und es ist nicht sonderlich attraktiv, hier länger unterwegs zu sein. Eine Besteigung des Vulkans wird von Agenturen in Pucon angeboten. Wäre bestimmt eine alpinistisch machbare Aufgabe, aber wir verzichten und schlittern im Lavasand zu unserem Ausgangspunkt zurück.

Am zweiten Tag unternehmen wir eine zwar anstrengende, aber sehr lohnenswerte Wanderung. Im Nationalpark steigen wir eine steile Bergwand hinauf. Geniessen dabei immer wieder die Aussicht auf kleine Wasserfälle oder auf den in nicht allzu weiter Ferne liegenden Vulkan. Nach 3 Stunden Anstieg erreichen wir eine Hochebene, dicht bewaldet mit Aurakanien (Andentanne: eine Miniausgabe davon stand früher in unserem Wohnzimmer als Zimmertanne) und 3 kleinen, klaren Bergseen. Die Vegetation hier auf 1800 Meter ist üppig. Zwar Wald, aber fremdartig. Ganz klar anders als die Vegetation in unseren Bergen … ein richtiger Urwald durch den wir wandern.

Den Höhepunkt unseres Aufenthaltes in der Region erleben wir am 3. Tag. Zwar müssen wir recht beschwerliche 100 Kilometer um den Vulkan herum fahren … die letzten 20 Kilometer auf einer recht fordernden Schotterpiste (einen Zusammenhang zu den geplatzten Reifen können wir aber nicht erkennen). Nachdem sich unser Wagen durch ein letztes sandiges Stück Piste gekämpft hat … stehen wir vor dem Paradies. Eine schmale Bergschlucht, üppig begrünt, liegt vor uns. Auf Holzstegen wandern wir immer leicht ansteigend von Thermalbecken zu Thermalbecken. Je weiter wir in die Schlucht vordringen, um so heisser wird das Wasser. Das erste Becken, in das wir gleiten, hat angenehme 35°C … dann steigern wir auf 40°C und ich, Jörg, liege für knapp 10 Minuten im heissesten Becken mit 46°C … Oschi!!! Das warme Wasser ist das eine … das architektonische Gestaltungskonzept des chilenischen Architekten German de Sol ist ein Meisterwerk. Die „Termas Geometricas“ fügen sich wunderbar in die Landschaft. Die kleinen Pools verschwinden in der üppigen Pflanzenpracht. Mein Highlight finde ich am Ende des Holzsteges und der Schlucht. Aus 5 Metern Höhe prasselt ein eiskalter Wasserfall mit voller Wucht auf mich … mit kribbelnder Haut verlassen wir diesen paradiesischen Ort. Unbedingt empfehlenswert!!!

Nach diesen erlebnisreichen, aber auch entspannenden Tagen rollen wir weiter in den Süden und erreichen am frühen Nachmittag den Llanqihue See. Rings um das Ufer herum vermutet man eher, dass unser Wagen gerade durch Hessen rollt. Die Hügel sind sanft, die Kühe schwarz weiss gefleckt und die Häuser mit schön gezimmerten Dächern, die Wände mit Holzschindeln verkleidet. Ab und zu erkennen wir deutsche Namen auf etwas vergilbten Schildern … wäre da nicht dieser dominierende Vulkan, der so garnicht in eine deutsche Mittelgebirgslandschaft passt.

Frutilar
Landungsbrücke von Frutilar

Insgesamt waren es tolle Tage und unser Reisemotto: „Am Ende wird alles gut!“ traf wieder so gut zu. Gerade habe ich unseren „fusslahmen“ Toyota auf einen Abschleppwagen gefahren – die Firma fungiert unter dem sehr spanisch klingenden Namen Droppelmann – und schaukle jetzt mit dem Fahrer und seiner Mama im Fahrerhaus Puerto Montt und einem Ersatzwagen entgegen.

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