Die offene Hand

Der Tag begann mit einem Frühstück am Ufer des Sambesi. Unter uns im Fluss wuschen viele Frauen ihre Wäsche und sich. Die Frauen transportieren erstaunliche Lasten, was Größe und Gewicht angeht, auf Ihren Köpfen. In diesem Fall wurden Bottiche mit der Schmutzwäsche zum Ufer auf dem Kopf scheinbar mühelos und ohne eine Hand zum festhalten zu nutzen balanciert. Die zusätzlich auf den Rücken mit einem einfachen Tuch gebundenen Babys und Kleinkinder scheinen auch nicht zu stören. Die Wäsche wird im Bottich eingeseift und in den Fluten des Sambesi gespült und auf Steinen ausgeschlagen oder gewrungen.

Unser Besuchsziel heute war zuerst der Ort Moatize, der ca. 30 Kilometer nördlich von Tete liegt. Wie bereits geschrieben, ist die Gegend hier sehr reich an Steinkohle, welche zuerst von den Portugiesen hier gefördert wurde und per Bahn (Dona Ana Brücke) in den Hafen von Beira transportiert wurde. Nach der Unabhängigkeit Mosambiks Mitte der Siebziger Jahre verließen viele der portugiesischen Spezialisten das Land und eigene Fachkräfte fehlten. In diese Lücke sprangen die sozialistischen Länder ein. Für die DDR wurde Mosambik zu einem Schwerpunktland in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Mosambikaner erhielten in Ostdeutschland, z.B. in unseren alten Heimat Hoyerswerda eine Ausbildung und Spezialisten aus der DDR arbeiteten in Afrika. So auch mein Vater Mitte der Achtziger Jahre hier in der Region Tete / Moatize im Bergbau. Einer der Gründe für unsere Reise war es natürlich hierher zu kommen … damals erschien es den Behörden zu gefährlich, DDR Kooparanten mit Ihren Familien in dieser Gegend leben zu lassen, da Überfälle durch die RENAMO vorkamen und bereits DDR Bürger getötet wurden.

Mein Vater zeigte uns vor unserer Reise noch seine Bilder aus Tete und Moatize und natürlich gingen wir auf die Suche nach uns von Fotos bekannten Orten. Aber die letzten 30 Jahre haben viel verändert. Auf den Bildern wirkte Moatize sauber und beschaulich. Inzwischen herrscht hier wie an so vielen Orten in Afrika Goldgräber-Stimmung. Nun sind globale Rohstoff-Unternehmen vor Ort. In den riesigen Jeeps der Mine- Unternehmen sitzen Südafrikaner, Brasilianer, Inder und Chinesen. Die Strasse nach Moatize ist ein riesiges Industrie Quartier und der Ort voll mit Menschen, die in zweifelhaften Hütten leben. Die kolonialen Ursprünge sind an der schönen Allee in der Ortsmitte mit teilweise schmucken kleinen portugiesischen Häusern noch gut zu erkennen. Mit etwas Suchen entdeckten wir auch den von meinem Vater fotografierten Bahnhof, die Kirche und kurz danach den Abzweig zum Fördergelände der CARBOMAC. @ Jürgen: wir haben viele Fotos gemacht und sind gespannt, was Du alles noch erkennst.

Eines der Fotos zeigte meinen Papa in Tete vor einem Denkmal … die offene Hand. Dieses Symbol fanden wir bereits mehrmals z.B. als Holzschnitzereien. Gern wollten wir ein Bild von uns vor diesem Denkmal aufnehmen. Das bedeutete zurück nach Tete und wieder auf die südliche Seite des Sambesi. Kurz nach dem wir vor Befahren der Brücke unseren Brückenzoll entrichtet hatten winkte uns eine für uns schwer bewaffnete Polizei-Streife heraus.

Wir stießen hier bisher auf zwei Arten von Polizei. Die Verkehrspolizei trägt dunkelblaue Hosen und ein weißes Hemd, sind augenscheinlich unbewaffnet und der Umgang mit Ihnen entspannt … selbst wenn es Straffzettel gibt ;-). Die anderen tragen Khaki Grün und die Kalaschnikow „leger“ über die Schulter baumelnd. 3 von denen traten nun an unseren Wagen und verlangten unsere Pässe. Die Pässe wurden übergründlich studiert und waren anscheinend nicht zu beanstanden. Aus Sebastians Dokumentenmappe lugte noch sein gelber Impfausweis. Nun wollten die Beamten von uns allen die Impfausweise sehen. Da es keine Impfpflicht für Mosambik gibt, der Reiseführer nichts entsprechendes empfohlen hatte haben Christiane, Conny und ich diesen zu Hause gelassen. Dies war genau der Punkt, den die „überkorrekten Beamten“ bei uns gesucht und nun gefunden hatten … Der Punkt, um Druck zu machen. Es begann eine recht langwierige Verhandlung. Mein Ansprechpartner des Postens war der Meinung, dass wir nun ein großes Problem hätten und er uns die Reisepässe nicht wieder aushändigen kann – ich war da ganz anderer Meinung. Der eingeforderte höherrangige Offizier wollte und wollte nicht kommen und das Angebot uns eine Kopie unserer Ausweise per E-Mail zuzusenden aufgrund plötzlich sehr schlechtem Englisch nicht verstanden.

Es war klar, worauf es hinaus laufen sollte … dauerte aber noch eine Weile, bis uns der erste Lösungsvorschlag für unser „großes Problem“ unterbreitet wurde. 100 US Doller könnten das Problem lösen … Nach einiger Diskussion wären auch 50 Dollar ausreichend oder der gesamte Medicas Inhalt meines Portmonaise. Zufällig fanden sich in Sebastians Geldbörse nur noch 20 US Doller die dann aber ausreichten. Ich habe das erste Mal in meinem Leben Bestechungsgeld zahlen müssen, völlig ungerechtfertigt … so etwas macht einen stinkwütend, aber ich fühlte mich im Angesicht der Waffen und unserer Pässe in der Hand der Beamten in einer sehr schwachen Verhandlungsposition. Allerdings weiß ich nun um die Bedeutung des Symbols der offenen Hand 😦 … Im Ernst: Korruption ist ein furchtbares Übel, der finanzielle Verlust für uns verschmerzbar … Aber was bedeutet es für die Menschen hier, eine Willkür, die nur mit Geld zu beeinflussen ist. Wenn es etwas positives aus diesem Erlebnis gibt … dann, dass wir dieses ohnmächtige Gefühl Gott sei Dank so nicht kennen.

Die offene Hand sahen wir dann noch aus dem Autofenster aber die Lust an einem Stopp in Tete war uns vergangen … Schade, die Stadt pulsierte, die Straßenzüge sahen vielversprechend aus, Moscheen und nach frischem Brot duftende Bäckereien … aber wir fühlten uns durch das zuvor Erlebte ziemlich verunsichert.

Vor uns lag eine weniger lange und eher uninteressante 100 km Fahrt zum Cahora Bassa Damm und Stausee. Zuerst führte die Fahrt durch recht ödes Gelände; die immer näher kommenden Berge am Horizont vor Augen. Kurz bevor die Strasse kurvenreich den Berg empor stieg mussten wir am angekündigten Militärposten stoppen. Einer der Beamten (jünger, höherer Dienstgrad?) setzte sich sofort pflichtbewusst seine Mütze auf und trat an unseren Wagen, während der andere gemütlich in der Sonne weiter döste. Sofort wurden die Pässe verlangt und mit irgendetwas müssen wir den Beamten verstört haben. Ich legte wohl zu offensichtlich meine Kamera, die ich in der Hand hielt in den Fussraum des Wagens, das dicke Schild unseres Autovermieters an der Tür oder unsere deutsche Unterhaltung … Irgendetwas gefiel ihm nicht.

Wir mussten den Wagen am Seitenrand parken und mit meiner Kamera in sein Wachhäuschen an der Schranke folgen. Der Beamte sprach kein Englisch … Conny redete er immer mit „Little Sister“ an und unsere Diskussion war sehr unergiebig. Er wollte genau wissen, woher wir kommen, was wir hier wollen oder ob wir eine Fotoerlaubnis hätten. Wir wiederum erklärten, dass wir einfache Reisende sind und nichts verbotenes fotografierten. Es war zum Verzweifeln und unsere deutsch geführte Unterhaltung untereinander verunsicherte ihn immer mehr. So schickte er uns alle heraus, bis auf „Little Sister“ Conny und bearbeitete diese in Portugiesisch weiter … Erfolglos. Sebastian hatte die rettende Idee und machte mittels Gesten dem Beamten klar, dass wir wie alle anderen zum Stausee zum angeln fahren wollen und nicht Industriespione von „BRITZ“ (Britz ist der Autovermieter, dessen Logo wir auf dem Jeep spazieren fahren) sind. Der Beamte gab mir die Pässe und die Kamera zurück und wir durften die Sperre passieren. Fazit: Dieser Beamte hatte sich sehr korrekt verhalten, er war nicht auf Bestechungsgelder aus … Wir hatten uns nur vollkommen missverstanden. BRITZ hat auf beide Autotüren Ihren Firmenaufkleber aufgebracht, der Schriftzug + einem Bild eines Chamäleon. Dieser Aufkleber sorgte schon an allen Tankstellen für neugierige Blicke und hat unseren Posten verunsichert. Hier fahren viele Jeeps der Minen Unternehmen mit großen Logos an den Autotüren herum … und unser Logo kannte er noch nicht 🙂

Nach dem wir den Berg mit unserem Jeep hinauf geklettert sind, öffnete sich das Tal für eine imposante Staumauer. Der Sambesi zwängt sich hier schmal zwischen den Bergen hindurch und bot den Portugiesen in den Sechzigern die ideale Stelle für einen Stausee und ein leistungsfähiges Kraftwerk mit insgesamt 5 Turbinen. Sebastian arbeitet für ein der ABB angeschlossenes Unternehmen … Pucaro. Dieses fertigte vor der Fussball WM in Südafrika wichtige Bauteile, die in diesem Kraftwerk im Einsatz sind und den Strom für die WM erzeugten 😉 … so klein ist unsere globale Welt.

Untergekommen sind wir in der Ugezi Tiger Lodge, von der der Reiseführer schrieb, dass sowohl-als-auch Meinungen zurück gemeldet wurden. Wir sind für ein „nun ja“ … wir stören hier eher den herbstlichen Nicht-Betrieb. Die gesamte Anlage liegt wunderbar am Ufer des Stausees, idyllisch Grün angelegt und verkommt. Unser Familienbungalow wird wohl das nächste Jahr nur mit Mühe erleben … alles müsste dringend renoviert und die Betriebsmannschaft motiviert werden. Aber weder von den äußeren Umständen noch den südafrikanischen Anglern lassen wir uns stören. Wir schalten in den Ruhemodus, rasten mit einem Boot kurz über den See zur Staumauer und spielen endlich mal wieder WIZARDs.

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