Charlie Chaplin war hier …

Nostalgie pur! Der Boden knarzt, die Armaturen sind angelaufen und das Personal (fast etwas sehr servil) trägt Uniformen, die seit den 60zigern des letzten Jahrhunderts den selben Schnitt haben. Für unseren Zwischenstopp auf dem Weg zurück nach Tokio haben wir uns einen wirklich wunderbar nostalgischen Platz á la Grandhotel Pupp in Karlsbad oder dem fiktiven Grandhotel Budapest 🙂 ausgesucht.


Über eine kurvige Strecke sind wir vom Küstenort Odawara mit einer Bahn und dann mit dem Bus bis direkt vor die grosse Eingangshalle des Fujiya Hotels in der Region Hakone gefahren. Selbstverständlich erfolgt der Eintritt durch eine hölzerne, leicht klemmende Drehtür und der heranstürmende Portier kümmert sich um die schweren Taschen. Der Rezeptionist überreicht uns natürlich einen Schlüssel an einem riesigen Schlüsselanhänger (nicht hosentaschentauglich) und keine Chipkarte und wir wandern mit einer jungen Angestellten durch endlose Gänge zu unserem Zimmer. An den Wänden des Flurs hängen alte schwarz-weiss Fotografien von mehrheitlich gekrönten Personen aus aller Welt und neben John Lennon und Yoko Ono auch Charlie Chaplin, ohne Frack, Stock und Nasenbart. Das Hotel muss in den zwanziger und dreissiger Jahren des letzten Jahrhunderts der Platz in Japan gewesen sein, wo man mit Rang und Namen gewesen sein muss … Albert Einstein hat sich auch per Brief für das saubere Zimmer bedankt – wissen wir, weil das Hotel tatsächlich mehrere Räume als Museum nutzt. Ich mag hier nicht eine Hotel Kritik schreiben, aber das Haus war der primäre Grund unseres Kommens. Gelohnt hat es sich aber auch für das Drumherum. Das Gebäude wirkt wie einer der oft schon untergegangenen, Hotelpaläste in den Schweizer Bergen. Viel Holz, viele Türmchen aber kombiniert mit japanischen Stilelementen. Ein grosser, schön angelegter Garten mit Bächen, Brücken und sogar einer Mühle begrenzt das Hotel zum Berghang, an dem quietschend die Bahn nach Gora vorbei zieht. Man muss es mögen, diesen etwas angestaubten Charme, diese Atmosphäre von „die besten Zeiten sind vorbei“ … Wir mögen es und testen am ersten Abend in der zum Hotel vortrefflich passenden Victoria Bar das obligatorische Clubsandwich (gut) und den Martini Cocktail (ausgezeichnet) …


Der kleine Ort Miyanosihta bietet neben dem grossen Fujiya Ort und einer Bahnstadion auf den ersten Blick nicht viel mehr. Eine cool gestaltete Karte belehrt uns eines besseren. Der Ausblick vom Parkplatz vor dem „Seven to Eleven“ Laden soll spektakulär sein (Ansichtssache) und man muss nicht zu unglaublich hohen Preisen im Hotel das Frühstück oder Dinner einnehmen … der Ort wartet tatsächlich mit Alternativen auf. Zum Beispiel dem Kleinstcafe An. Ein kleiner Gastraum, dominiert von einem grossen Schrank voller Kaffeegedecke, wie sie meine Grosseltern hatten, hinter Glas. Ein älterer Herr mahlt für uns frisch die Bohnen, brüht einen Filterkaffee und toastet uns je eine Scheibe dicken Weissbrots … Guter Kaffee und eine mit salziger Butter beschmierter warmer Toast – es sind die kleinen, einfachen Sachen die uns glücklich in den neuen Tag starten lassen. 

In einer grossen Parkanlage sind mit ausreichend Platz drumherum Skulpturen grossartiger Künstler des letzten Jahrhunderts verteilt. Der Besuch des Open Air Kunstmuseums Harkone ist Balsam … wieder zwei, drei Stunden mit Betrachten von Moderne in einem japanischen Landschaftspark. Plastiken von Moore und Rodin, auch eine Skulptur von Max Bill wirken mit dem umgebenden Raum, dem Grün der Wiesen, dem fallenden „Schnee“ von Pfirsichblüten und den bewaldeten Hängen im Hintergrund. Unser Highlight war der kleine Holzschrank mit einer „Vertrauenskasse“, aus welchem wir für umgerechnet einem Franken ein kleines Handtuch erwerben konnten und unseren Füssen ein warmes Bad im klaren Wasser aus der museumseigenen Quelle gönnen. 


Der Rest des Tages war die japanische Variante der „goldenen Rundfahrt“ auf dem heimischen Vierwaldstätter See. Mit Standseilbahn und Gondel hinauf auf den Berg. Dabei haben wir den Fuji in seiner ganzen Pracht zu sehen bekommen. Ein toller Berg … keine ähnlich hohen Gipfel nebenan machen dem prominenten Fuji Konkurenz, der Berg wirkt für sich, bildet fast eine ideale Pyramide und wird von einer Schneehaube gekrönt. Schade, dass es noch bis Juli dauert, bis die Saison der Besteigung beginnt … würde mich reizen 🙂


Der Wind lässt unsere Gondel ordentlich über einem recht tiefen, rauchenden Abgrund schwanken. Weit gespannt zwischen zwei Bergkämmen überfliegt die Gondel ein geologisch sehr aktives Gebiet (Owakudani … grosses Tal des Dampfes) mit aufsteigendem, nach Schwefel riechendem Wasserdampf. Hier oben werden Eier in einer Stunde in 80°C heissem Wasser gegart und an einer Zwischenstation der Seilbahn verkauft. Connys Lebenserwartung ist durch das Essen von 2 der mindestens 5 zu kaufenden Eier um 8 oder 14 Jahre gestiegen … die Quellenlage ist da nicht so ganz eindeutig. Ich habe auf den Verzehr der aussen ganz schwarzen Eier verzichtet … nicht mal im Vulkan gekochte Eier können mich überzeugen. 


Über den Ashi See schippert uns eine moderne Interpretation eines dreimastigen Piratensegelschiffs wieder zurück. Passt nicht so ganz hierher, kommt aber wunderbar fotogen daher …  der Fuji im Hintergrund verschwimmt im Dunst der Abendluft zu fast nicht mehr erkennbaren Konturen.

Ausserdem: Vorfreude auf unsere „Lost in Translation“ Übernachtung im Park Hyatt mischt sich mit Wehmut über das nahende Ende der Reise … 

2 Gedanken zu “Charlie Chaplin war hier …

  1. Hoi zäme, jetzt habe wir mit viel Verspätung endlich Eure Japanreise verfolgt. Dabei hat sich eine für uns bisher fremde Welt etwas eröffnet, die uns bisher sicher nicht zu Reiseträumen veranlassen konnte. Und jetzt haben wir doch auch mehr Verständnis für Menschen, die von diesem Land begeistert sind. Die ausgezeichnet geschilderten Eindrücke, zusammen mit den tollen Bildern, bauen unsere bisherigen Schranken gegenüber Japan als Land zum Entdecken langsam ab.
    Toll, und vielen Dank !!!

    Inzwischen seid Ihr ja wohl schon wieder in der kleinen Schweiz angekommen. Wir wünschen Euch einen guten Start zurück in den Alltag und freuen uns auf weitere Erfahrungsberichte von Euren Erkundungen.

    Mit liebe Grüssen
    Peter & Paula

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